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Features
The Talos Principle
Über den Tellerrand
Entwickler: Croteam
> Was ist The Talos Principle?
Das fragst du jetzt?
> Ja, ich weiß, das Spiel ist nicht mehr taufrisch. Aber gerade wurde Teil 2 angekündigt, und da dachte ich, das könnte was für unsere Leser sein.
Puh, na gut. The Talos Principle ist ein Philosophie-durchtränkter Ego-Puzzler, den die Entwickler der hirnlosen Shooter-Reihe Serious Sam mit den Autoren Jonas Kyratzes und Tom Jubert entwickelt haben.
> https://www.youtube.com/watch?v=wCk4nrQ1yaQ
Spieler werden in die Rolle eines humanoiden Roboters versetzt, der durch realistisch aussehende Umgebungen läuft und dabei Rätsel löst. Die Umgebungen vermischen historische Architektur, mal an die antiken Griechen angelehnt, mal ans alte Ägypten, mit jeder Menge Natur. Gleichzeitig wird aber durch gelegentliche Bildstörungen klar, dass man nicht wirklich durch die Natur läuft, sondern eher in einer Art Holodeck durch die Simulation derselben. Zudem wollen einige spielrelevante Objekte wie die allgegenwärtigen Laser, Metallkisten und Computerterminals so gar nicht in das restliche Szenario passen.
> Du hast Rätsel erwähnt. Wie funktionieren die?
In allen Spielabschnitten gibt es eine Reihe von Arealen, die von hohen Mauern umgeben sind und nur durch ein Energiefeld betreten werden können, durch das keine Objekte hindurchgetragen werden können. Diese Areale sind sozusagen die Level. Das Ziel jedes Levels ist es, das darin versteckte „Siegel” zu finden, einen schwebenden farbigen Tetrisblock.
Um diesen zu finden, stehen einem in der Regel Energiebarrieren oder Wachroboter im Weg, die sich gemeinsam mit dem Spieler in die Luft sprengen, wenn er ihnen zu nahe kommt. Spielelemente wie rote und blaue Laser, mobile Kristalle, die diese umlenken können, würfelförmige Kisten, Energiebarrieren-Hemmer und so weiter stehen zur Verfügung, um die Hindernisse zu überwinden.
> Moment, wie war das mit den Wachrobotern? Ich will entspannt rätseln, nicht in meinen Tod gejagt werden!
Dieses Spielelement bringt zwar in der Tat ein kleines bisschen Geschick ins Spiel, im Wesentlichen ist es aber der kluge Einsatz der anderen Utensilien, die die Roboter nicht zur Gefahr werden lassen. Wenn sie sich bewegen, tun sie das auf festgelegten Bahnen ohne überraschende Manöver. Für Spannung sorgen die Roboter aber durchaus, denn man muss ihnen immer wieder gefährlich nah kommen, aber eben nicht zu nah, um die begehrten Siegel zu finden.
> Und was hat es mit den Computerterminals auf sich, die du erwähnt hast?
Ah, die! Ein sehr netter Touch! Überall in der Welt stehen anachronistische Computerterminals herum, die viel zu modern für die historischen Kulissen, aber in ihrer 80er-Jahre-Röhrenmonitor-Optik viel zu altmodisch für das futuristische Android-im-Holodeck-Szenario sind, das sich dahinter zu verbergen scheint. Über die Terminals, in denen ein textbasiertes Betriebssystem läuft, kann man interagieren und kommunizieren. Gleichzeitig findet man jede Menge Textdateien, die manchmal Aspekte der Hintergrundgeschichte offenbaren, manchmal aber auch Zitate alter philosophischer Schriften.
> „Realität ist das, was nicht verschwindet, wenn man aufhört, daran zu glauben.”
Philip K. Dick. Genau, so was eben.
> Viel zu lesen also?
Ja, durchaus. Hin und wieder findet man auch wenig erhellende Laberei in diesen Textdateien, aber es sind auch oft echte Perlen dabei, Überraschendes, Dinge, die zum Denken anregen. Highlight sind die Dialoge, die man mit dem Betriebssystem führt. Gegenseitig hinterfragt man sich da, ob man eine „Person” ist, was es überhaupt heißt, eine „Person” zu sein, ob man dem Gegenüber vertrauen kann und wenn nicht, was dann. Trickreich werden Spieler in philosophische Widersprüche gelockt, die einen tatsächlich nachdenklich werden lassen. Dazu kommt ein „Gott”, der immer wieder aus dem Himmel (oder woher auch immer) auf einen einredet, und der andere Pläne für den Spieler hat als die künstliche (?) Intelligenz in den Computerterminals. Auf wen sollte man da nur hören?
> Verstehe. Sind diese Diskussionen der Grund, warum der Artikel in diesem affigen Dialog-Format geschrieben ist?
Wieso fragst du mich das?
> Moment, wer ist denn jetzt [Admin]? Das ergibt keinen Sinn!
Ich habe da eine Theorie.
> Puh, sind die Sätze im Spiel auch so lang?
Ja, manchmal.
> Lass uns über die Rätsel sprechen. Taugen die was?
Absolut! Es fängt ziemlich simpel an mit Kisten und Schaltern im Boden und Lasern, die sich mit Kristallen, die man frei im Level herumtragen darf, umlenken lassen. Die Kristalle darf man auch auf Kisten stellen, um flache Hindernisse überwinden zu können, und Schalter im Boden werden ausgelöst, indem man darauf Kisten oder Kristalle stellt oder sich selbst. Immer wenn sich gewisse Lösungsmuster etablieren, kommen zusätzliche Regeln dazu, die für weitere Tiefe sorgen. Die Rätsel bleiben interessant konstruiert, während sie Stück für Stück kniffliger werden.
Das ist aber nur die halbe Geschichte. Überall im Spiel sind Sterne versteckt, die, Super Mario lässt grüßen, optional sind. Kein einziger muss gefunden werden, um den Abspann zu sehen. Wer die volle Rätseldröhnung will, begibt sich aber auf die Suche, was viele zusätzliche Stunden anspruchsvollen Knobelspaß verspricht. Oft ist es eine zusätzliche Idee in den einzelnen Leveln, die die Tür zum Stern öffnet, häufiger ist es aber auch hier wieder die Metaebene, die bedient wird.
Die zahlreichen Level sind immer in Arealen mit 3 bis 6 Aufgaben gruppiert und theoretisch komplett unabhängig. Praktisch gibt es aber immer wieder, wie durch Zufall, Lücken im System. Da ist mal eine Wand nicht hoch genug, was dazu führt, dass man einen Umlenk-Kristall aus einem Level entfernen und in das nächste hineintragen kann, wo dadurch eine sonst unmöglich zu öffnende Tür geöffnet werden kann. Oder ein Laser kann über eine Mauer hinweg von einem ins benachbarte Level geschossen werden. Immer wieder fallen diese Glitches auf und man fragt sich, ob die Entwickler hier etwas übersehen haben.
Die Antwort lautet aber immer wieder: nein, das sind absichtliche „Fehler”, die clevere Kombinationen von beieinander liegenden Gebieten erlauben. Manchmal sind es auch subtil versteckte Höhlen, in den Terminals versteckte Codes, die es zu entschlüsseln gilt, oder an die Wand gesprühte Barcodes, die die begehrten Sterne zugänglich machen. Während auch das „Basisspiel” schon viel Fleisch hat, legt The Talos Principle in der Kür faszinierende Genialität an den Tag. Wer alles finden will, ist locker 30 Stunden und mehr beschäftigt. Als Belohnung gibt es eins von zwei weitere Enden, abhängig davon, wie vollständig man das Spiel gelöst hat.
> 30 Stunden? Hui, das ist lang.
Ja. Zumal das Add-on Road to Gehenna da noch nicht mitgerechnet ist. Das setzt noch mal einen fetten, bockeschweren Brocken obendrauf.
> Klingt nach einer Herausforderung.
> Ein was?
> Klar. Machst du das?
Ne, mach du mal. Ich habe hier den Überblick verloren, wer wer ist.
> Egal, zu spät. Also: The Talos Principle vermischt eine höchst originelle Spielwelt, die antike Settings mit einer dahinter verborgenen Science-Fiction-Ebene kombiniert sowie schwere Themen aus Philosophie und Religion in einer Art aufbereitet, dass selbst Philosophie- und Religionsmuffel fasziniert mitlesen. Es bietet zahlreiche interessante Knobelaufgaben von leicht bis extrem schwer, die besonders dann geniale Züge entwickeln, wenn sie die Spielregeln subtil aus den Angeln hebeln und gemeinsam mit der Hintergrundgeschichte auf eine Metaebene wechseln.
Das fasst es doch gut zusammen. Der Vergleich mit dem Genremeilenstein Portal liegt da nahe: Zwar müssen Spieler auf eine bahnbrechend neuartige Mechanik wie die Portal Gun verzichten, dafür gibt es eine vergleichbar originelle Spielwelt, ungleich bessere “Hinter den Kulissen”-Momente sowie ein zehnfaches an Spielzeit, die dank immer neuer Ideen nie eintönig wird.
Links:
The Talos Principle auf Steam
Offizielle Webseite